Nachhaltiges Bauen – wie Pflanzen Architektur zum Leben erwecken

| Allgemein

In den tropischen Bergwäldern von Meghalaya, einer Provinz in Ostindien, entstehen faszinierende lebende Brücken, die von den Khasi, einem indigenen Volk, über Jahrhunderte hinweg geschaffen wurden. Sie sind oft über 20 Meter lang und dienen den Khasi dazu, sicher über tiefe Schluchten und reißende Flüsse zu gelangen. Sie bestehen aus Luftwurzeln der Gummibäume, die zu einem fachwerkartigen Gerüst verwachsen und verflochten werden.

Diese Leistung, über Generationen hinweg langfristiges zu handeln und denken und der Aspekt, dass die Herstellung dieser Brücken keine fossilen oder nachwachsenden Rohstoffe verbraucht, ist beeindruckend. Stattdessen binden sie CO2, stabilisieren das Waldökosystem, verhindern Bodenerosion und fördern die Sauerstoffproduktion. Am Ende ihres Lebenszyklus werden die Brücken von Pilzen und Mikroorganismen zu Humus umgebaut, der die Grundlage für neues Leben bildet.

Ähnlich wie bei den lebenden Brücken der Khasi, werden in der Baubotanik Pflanzen und Bäume aktiv in den Bauprozess integriert, um stabile und umweltfreundliche Strukturen zu schaffen

Was ist Baumbotanik?

Die Baubotanik ist ein interdisziplinäres Gebiet, in dem Ansätze aus der Botanik, Architektur und dem Gartenbau zusammenfließen und bestimmt eine Bauweise, die durch das Zusammenspiel von technischen Elementen mit pflanzlichem Wachsen gekennzeichnet ist. Dabei werden lebende und nicht-lebende Konstruktionselemente miteinander verbunden, um eine integrierte Struktur zu schaffen. Architektur wird somit in der Baubotanik als etwas Lebendes gedacht, was neue und kreative Möglichkeiten eröffnet.

Die Lebensleistung von Bäumen

Bäume können beeindruckende Höhen und Alter vollbringen. So ist ein Küstenmammutbaum mit 115,55 m (das entspricht einem etwa vierzigstöckigen Gebäude) der höchste Baum und eine Westliche Grannen-Kiefer mit 4852 Jahren der älteste Baum der Welt. Grundlage für dieses „bauliche Potential“ der Bäume, also ihrer Biomasse ist allein die Photosynthese und Nährstoffe aus dem Boden. Der lebende Baum als Baugrundlage produziert Sauerstoff und bindet CO2, während bei der Erzeugung von Baustoffen (Stahl oder Beton) viel Energie notwendig ist. Fassaden aus Bäumen haben zudem durch das schattenspendende Kieferdach einen kühlenden Effekt. Stein, Beton und Asphalt hingegen heizen sich mit Sonneneinstrahlung auf. Insofern können wir uns mit lebende Bäume als Konstruktionselemente besser an den Klimawandel anpassen und das nachhaltiges Bauen fördern. Um Bäume nachhaltig zu erhalten spielt insbesondere auch ihre richtige Bewässerung eine wichtige Rolle. Mit der Sensortechnologie von TreeSense lässt sich der Trockenstress von Bäumen präzise bestimmen, was eine bedarfsgerechte Bewässerung ermöglicht und die Baumlebensleistung durch gesunde Bäume fördert. Erfahren Sie hier mehr:

Gesunde Bäume mit den Lösungen von TreeSense

Beispiele für beeindruckende Baubotanik:

 

Grenzen der Baubotanik

Trotz dieser tollen Möglichkeiten gilt es auch die Grenzen des Baus mit lebenden Bäumen aufzuzeigen. Bäume wachsen langsam: die Menge an Holz, die jährlich in einem Wald wächst, kann man sich vorstellen, als eine Schicht mit einem Millimeters Dicke über die gesamte Bodenfläche des Waldes. In der Architektur werden aber ein Vielfaches dieser Menge an Materialien benötigt. (Es braucht etwa 80 Jahre, bis das Holz für ein Einfamilien-Holzhaus gewachsen ist). Der Fokus liegt also nicht darauf, alle Materialien zu ersetzen. Vielmehr ist die Chance der Baubotanik, Bäume symbiotisch mit ihren ökologischen und ästhetischen Eigenschaften für unsere bebauten Räume zu erschließen und damit unseren Lebensraum nachhaltig zu gestalten.

 

Quelle: Ludwig, Ferdinand and Schönle, Daniel. Wachsende Architektur: Einführung in die Baubotanik, Berlin, Boston: Birkhäuser, 2023. https://doi.org/10.1515/9783035603422

Zurück zum Blog